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(BIAJ-18-03-2014 - mit Ergänzung vom 27-03-2014) Vorbemerkung: Sanktionen wegen wiederholter Verbreitung falscher Zahlen sind bisher nicht bekannt geworden.

In ungezählten Print- und Online-Berichten wird am 17. und 18. März 2014 über die Sitzung des Petitionsausschusses des Deutschen Bundestages zur Petition für die Abschaffung von Hartz IV-Sanktionen (17. März 2014) berichtet. In diesen Berichten, meistens an deren Ende, wird immer wieder eine falsche Zahl zu den Hartz IV-Sanktionen wiederbelebt: „35.000 weniger“.

Von Handelsblatt (Online) über Weser-Kurier bis Neues Deutschland (Online) heißt es dort: „Die Zahl der Sanktionen war zuletzt rückläufig. In der ersten Hälfte des vergangenen Jahres verhängte die Bundesagentur für Arbeit 486 191 Sanktionen gegen Empfänger von Arbeitslosengeld II, etwa 35 000 weniger als im Vorjahreszeitraum.“ (1) So oder ähnlich in weit über 100 Berichten.

Die Quelle der falschen Zahl: dpa - oder doch dpa und BILD unter Berufung auf die „Interne Revision“ der Bundesagentur für Arbeit? (siehe Hinweis I und Hinweis II unten) Am 6. November 2013 (!) jedenfalls konnte man in Handelsblatt (Online) unter der Überschrift „Interner Bericht: Zahl der Hartz-IV-Sanktionen gesunken“ lesen: „In der ersten Jahreshälfte verhängte die Bundesagentur für Arbeit (BA) 486.191 Sanktionen gegen Empfänger von Arbeitslosengeld II, wie die Zeitung „Bild“ unter Berufung auf einen Bericht der internen Revision der BA. (2) Dies seien rund 35.000 weniger als im Vorjahreszeitraum.“ (3)

Laut Statistik der Bundesagentur für Arbeit wurden im ersten Halbjahr 2013 tatsächlich insgesamt 486.191 Sanktionen neu festgestellt (verhängt). Dies waren aber nicht 35.000 weniger als im entsprechenden Vorjahreszeitraum. Denn für den entsprechenden Vorjahreszeitraum wurden 510.001 neu festgestellte Sanktionen berichtet. Statt 35.000 wurden im ersten Halbjahr 2013 also lediglich 23.810 weniger Sanktionen neu festgestellt als im ersten Halbjahr 2012.

Auch das am 17. und 18. März 2014 berichtete „zuletzt rückläufig“ relativiert sich, wenn man sich die bisher veröffentlichten Daten der Statistik der Bundesagentur für Arbeit ansieht: sie reichen bis zu Berichtsmonat November 2013. Von Januar bis November 2013 wurden 918.244 Sanktionen neu festgestellt, 20.278 weniger als die 938.521 im entsprechenden Vorjahreszeitraum. Oder mit anderen Worten: von Juli bis November 2013 wurden 3.532 mehr Sanktionen neu festgestellt als von Juli bis November 2012. Ob dies dem von BILD, Handelsblatt und anderen im November 2013 zitierten „Bericht der Internen Revision“ (lag bei Redaktionsschluss nicht vor; siehe Hinweis II) zuzuschreiben ist, wäre zu prüfen. (Anmerkung: Zur Streuung der „Sanktionsquoten“ im November 2013 siehe hier)

(1) 17.03.2014, 15:04 Uhr: http://www.handelsblatt.com/politik/deutschland/langzeitarbeitslose-hartz-iv-kritikerin-fordert-ende-der-strafen/9627676.html

(2) hier fehlt ein Wort.

(3) 06.11.2013, 10:50 Uhr:
http://www.handelsblatt.com/politik/deutschland/interner-bericht-zahl-der-hartz-iv-sanktionen-gesunken/9035042.html

Hinweis I (ergänzt am 19.03.2014): Im Dezember 2012 (!) wurden die Daten zu den neu festgestellten Sanktionen für die Monate Januar bis Juni 2012 "... aufgrund einer Korrektur in der statistischen Auswertungslogik für zugelassene kommunale Träger revidiert." (Statistik der Bundesagentur für Arbeit, Logbuch zur Statistik der Grundsicherung) Diese blieb in den Medienberichten vom 6. und 7. November 2013 unberücksichtigt.

Hinweis II (ergänzt am 27. März 2014): Den Bericht des Internen Revision (Revision SGB II) zum "Bundesprogramm Bürgerarbeit" vom April 2013, auf den sich BILD und weitere Medien in ihren Meldungen vom 6./7. November 2013 bezogen, finden Sie hier: IR-Bericht. Die Prüfung, auch die der Sanktionspraxis, bezog sich ausschließlich auf das "Bundesprogramm Bürgerarbeit" (Ziff. 1 des Berichts). Die Interne Revision legt Wert auf die Feststellung, dass sich die Ausführungen des Berichts (Ziffer 3.3) "nicht auf die generelle Sanktionierungspraxis in den Jobcentern" beziehen. "In der BILD-Berichterstattung vom 06.11.2013 ... war dieser Zusammenhang nicht erkennbar. Die Formulierung 'Die Prüfung und Verfolgung von Sanktionssachverhalten seien überwiegend nicht nachvollziehbar' ist daher nicht mit den festgestellten 486.191 verhängten Sanktionen des ersten Halbjahres 2013 in Verbindung zu bringen." (eMail Interne Revision an BIAJ)