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(BIAJ) Von der Bundesregierung genannte 79,5 Millionen Euro oder von der Bundesregierung nicht genannte 247,7 Millionen Euro aus Mitteln des Europäischen Sozialfonds (ESF) für "Leistungen zur Eingliederung in Arbeit" im Haushaltsjahr 2013?

Wurde die Bundestagsabgeordnete Brigitte Pothmer von der Bundesregierung mit deren Antwort vom 3. April 2014 belogen? 

Die am Tag des Achtelfinales gegen Algerien (30. Juni 2014) veröffentlichte "Haushaltsrechnung der Bundes für das Haushaltsjahr 2013" wirft Fragen auf.

In der Woche vom 31. März 2014 fragte die Bundestagsabgeordnete Brigitte Pothmer, arbeitsmarktpolitische Sprecherin der Grünen im Bundestag, die Bundesregierung in einer „Schriftlichen Frage“:
„In welchem Umfang entstammten die Mittel der im Jahr 2013 insgesamt verausgabten 3,534 Mrd. Euro für „Leistungen zur Eingliederung in Arbeit“ … dem Europäischen Sozialfonds (ESF) …?

In der Antwort der Bundesregierung durch die Parlamentarischen Staatssekretärin Anette Kramme (SPD) werden am 3. April 2014 die rund 79,5 Millionen Euro genannt, „… die aus der Inanspruchnahme des Verstärkungsvermerks (Nummer 4 des Haushaltsvermerks zu Titel 685 11) zu Kapitel 11 02 Titel 272 02 – Einnahmen aus Zuschüssen des Europäischen Sozialfonds – resultieren. Diese Mittel haben zum Zweck der Kofinanzierung des Bundesprogramms „Kommunal-Kombi“ und der Modellprojekte „Bürgerarbeit“ (Nummer 3 und 4 der Erläuterungen zu Titel 685 11) durch den ESF (Nummer 5 der Erläuterungen zu Titel 685 11) zur Verstärkung des Haushaltsansatzes beigetragen.“ (Frage 41 in: Deutscher Bundestag, Drucksache 18/1071, Seite 3)

Beim Blick in die am Tag des WM-Achtelfinales gegen Algerien (30. Juni 2014) vom Bundesfinanzministerium veröffentlichte „Haushaltsrechnung des Bundes für das Haushaltsjahr 2013“ stellt man jedoch fest:

Bei der in der Antwort der Bundesregierung genannten Haushaltsstelle 1102/272 02 („Einnahmen aus Zuschüssen des Europäischen Sozialfonds“) wird in den Erläuterungen ein Betrag von 247.716.718,49 € zur Verstärkung für die ebenfalls in der Antwort genannte Haushaltsstelle1102/685 11 („Leistungen zur Eingliederung in Arbeit“) genannt. Diese 247,7 Millionen Euro sind Teil der in der Haushaltsrechnung ausgewiesenen ESF-Mehreinnahmen. (Anm.: Im Bundeshaushalt 2013 waren „Einnahmen aus Zuschüssen des Europäischen Sozialfonds“ in Höhe von 0,00 Euro veranschlagt. Die Einnahmen bei dieser Haushaltsstelle, und damit zugleich die Mehreinnahmen, betrugen 1,052 Milliarden Euro.)

Im Haushaltsvermerk bei Haushaltsstelle 1102/272 02 heißt es: „Mehreinnahmen (verbleibende) sind wegen bindender Vorgaben der EU zweckgebunden. Sie dienen nur zur Leistung der Mehrausgaben bei folgenden Titeln: … Kap. 1112 Tit. 685 11 …“ (Hervorhebung durch Verfasser) Dies (1112/685 11) ist die Haushaltsstelle mit der Zweckbestimmung „Leistungen zur Eingliederung in Arbeit“.

In der „Haushaltsrechnung des Bundes für das Haushaltsjahr 2013“ werden in den Erläuterungen bei Haushaltsstelle 1112 685 11 („Leistungen zur Eingliederung“) die in der Antwort der Bundesregierung genannten rund 79,5 Millionen Euro genannt: 79.502.165,14 € mit der Bezeichnung „Mittel des Europäischen Sozialfonds für das Bundesprogramm Kommunal-Kombi sowie für die Modellprojekte ‚Bürgerarbeit‘“.

Aber anders als in der Antwort der Bundesregierung vom 3. April 2014 wird in der Haushaltsrechnung auch die Verstärkung für Mehrausgaben aus den oben genannten Mehreinnahmen aus Zuschüssen des Europäischen Sozialfonds (ESF) genannt: „Verstärkung durch Mehreinnahme bei Kap. 11 02 Tit. 272 02: 247.716.781.49 €“.

Dies wirft Fragen auf, unter anderen:

-     Warum wurden in der Antwort der Bundesregierung auf die Frage nach nach den Mitteln aus dem Europäischen Sozialfonds (ESF) lediglich die 79,5 Millionen Euro, nicht aber die 247,7 Millionen Euro genannt?

-     Wurde der Differenzbetrag aus Mitteln des ESF in Höhe von etwa 168,2 Millionen Euro für „Leistungen zur Eingliederung in Arbeit“ (oder den Bundesanteil an den „Verwaltungskosten für die Durchführung der Grundsicherung für Arbeitsuchende“) ausgeben? Wenn ja, für welche? Wenn nein: Für welche Ausgaben sind diese 168,2 Millionen Euro aus dem Europäischen Sozialfonds vorgesehen?

Sicher erwartet nicht nur das Bremer Institut für Arbeitsmarktforschung und Jugendberufshilfe (BIAJ) Antworten der Bundesregierung auf diese Fragen - Antworten, die der Haushaltsklarheit und Haushaltswahrheit u.a. mit dem Umgang mit Mitteln des Europäischen Sozialfonds (ESF) entsprechen sollten.

Bremen, 07. Juli 2014 -Verfasser: Paul M. Schröder, BIAJ

Anmerkung: Zum gelegentlich seltsamen „Umgang“ mit den ESF-Mitteln siehe u.a. auch die BIAJ-Veröffentlichungen zum Thema „ESF und Eingliederungsbeitrag: Bund ließ sich auch ESF-Ausgaben von der BA erstatten“ (08. April 2013: http://biaj.de/archiv-kurzmitteilungen/36-texte-biaj-kurzmitteilungen/356-esf-und-eingliederungsbeitrag-bund-liess-sich-auch-esf-ausgaben-von-der-ba-erstatten.html) Mit einer noch immer nicht abgeschlossenen Fortsetzung (Petition).