(BIAJ) Ein Euro weniger! Der Hartz-IV- und Sozialhilfe-Regelsatz (Regelbedarfsstufe 1: Alleinstehende Erwachsene) steigt ab dem 01.01.2020 nicht um neun Euro, von 424 Euro auf 433 Euro, sondern gemäß Regelbedarfsstufen-Fortschreibungsverordnung 2020 (RBSFV 2020) nur um acht Euro auf 432 Euro. Im 12. Existenzminimumbericht wurde von der Bundesregierung noch ein Anstieg des jährlichen Regelsatzes für Alleinstehende von 5.088 Euro in 2019 auf 5.196 Euro in 2020 genannt - als Teilbetrag "der steuerfrei zu stellenden sächlichen Existenzminima". Anmerkung der Bundesregierung: "Die vorgenannten Existenzminima stellen statistisch belegte Mindestbeträge dar." (Deutscher Bundestag, Drucksache 19/5400, Seite 9) 5.088 Euro dividiert durch 12 (Monate) ergeben den seit dem 1. Januar 2019 geltenden monatlichen Regelsatz (Regelbedarfsstufe 1) von 424 Euro. 5.196 Euro dividiert durch 12 (Monate) ergeben einen monatlichen Regelsatz von 433 Euro. Erhöht wird der Regelsatz (Regelbedarfsstufe 1) zum 1. Januar 2020 aber nicht auf 433 Euro sondern nur auf 432 Euro. (BIAJ, 27. November 2019 - Nachtrag vom 05.12.2019 mit Antworten des BMF)
Siehe dazu auch die BIAJ-Materialien vom 04. November 2018 ("Existenzminimum" Alleinstehender in den "Existenzminimumberichten" der Bundesregierung und "Armutsgefährdungsschwellen" 2005 bis 2017: BIAJ20181104) und vom 20. August 2019 (Absolute und relative Lücke zwischen Regelbedarf (Hartz IV) und Armutsgefährdungsschwelle 2006-2018: BIAJ20190820)
Nachtrag vom 05. Dezember 2019: Beantwortung der "Ein-Euro-Fragen" (Monat) bzw. "12-Euro-Fragen" (Jahr) durch das Bundesministerium für Finanzen (Bürgerreferat) (siehe unten).
Die eMail mit den drei Fragen des BIAJ vom 29.11.2019: "... wir haben drei kurze Fragen zur Erhöhung des Grundfreibetrags gemäß § 32a EstG in 2020 auf 9.408 Euro einerseits und zur Erhöhung des monatlichen Regelsatzes (Regelbedarfsstufe 1) gemäß § 2 RBSFV 2020 von 424 Euro auf 432 Euro (SGB XII, SGB II/Hartz IV) andererseits.
Der Grundfreibetrag ergibt sich offensichtlich aus den im 12. Existenzminimumbericht der Bundesregierung (Deutscher Bundestag, Drucksache 19/5400) genannten „steuerfrei zu stellenden sächlichen Existenzminima“, darunter der „Regelsatz“ von 5.196 Euro in 2020, nach 5.088 Euro in 2019.
Der im 12. Existenzminimumbericht für 2019 genannte Regelsatz in Höhe von 5.088 Euro entspricht mit monatlich 424 Euro dem Regelsatz/Regelbedarf (Regelbedarfsstufe 1) gemäß § 2 RBSFV 2019. Der dort für 2020 genannte Regelsatz in Höhe von 5.196 Euro entspricht einem monatlichen Regelsatz von 433 Euro. Dieser liegt einen Euro (jährlich 12 Euro) über dem in § 2 RBSFV 2020 genannten Regelsatz/Regelbedarf in Höhe von 432 Euro in Regelbedarfsstufe 1 (erwachsener Alleinstehender).
Warum wurde bei der Festlegung des Regelbedarfs von alleinstehenden Erwachsenen (Sozialhilfe/Arbeitslosengeld II) auf 432 Euro in 2020 vom monatlichen Regelsatz (Existenzminimumbericht) in Höhe von 433 Euro (5.196 dividiert durch 12) bei der Festlegung des Grundfreibetrags gemäß § 32a EstG abgewichen?
Wie hoch wären die voraussichtlich erwarteten Mehrausgaben für den Bund, die Länder und Kommunen, wenn der Regelbedarf für alleinstehende Erwachsene statt auf monatlich 432 Euro auf 433 Euro (ein Zwölftel des im 12. Existenzminimumbericht genannten Regelsatzes in Höhe von 5.196 Euro) erfolgen würde?
Wie hoch wären die voraussichtlich erwarteten Mehreinnahmen, wenn der Grundfreibetrag gemäß § 32a EStG nicht auf 9.408 Euro, sondern auf 9.396 Euro (12 Euro weniger wegen eines um 12 Euro geringeren Regelsatzes im Kalenderjahr) erhöht worden wäre?
Über eine zeitnahe Beantwortung dieser „Ein-Euro-Fragen“ (Monat) bzw. „12-Euro-Fragen“ (Jahr) würden wir uns freuen. ...“
Die Antworten des Bürgerreferats des Bundesministeriums für Finanzen (BMF) vom 04.12.2019: " ... Nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts ist im Einkommensteuerrecht das Existenzminimum steuerlich zu verschonen; hierfür ist der sozialrechtliche Mindestbedarf maßgeblich, der über- aber nicht unterschritten werden darf. Der steuerliche Grundfreibetrag gewährleistet die Freistellung des Existenzminimums von Erwachsenen. Der routinemäßig alle zwei Jahre dem deutschen Bundestag von der Bundesregierung vorzulegende Existenzminimumbericht fungiert insoweit als Frühwarnsystem: Basierend auf der zum Zeitpunkt der Berichtserstellung vorliegenden Datenbasis wird anhand einer Prognoserechnung die Höhe des steuerfrei zu stellenden Existenzminimums ausgewiesen. Der danach zuletzt erstellte 12. Existenzminimumbericht mit den Berichtsjahren 2019 und 2020 wurde am 9. November 2018 veröffentlicht (vgl. Bundestagsdrucksache 19/5400). Der steuerliche Grundfreibetrag ab 2020 wurde infolgedessen entsprechend angepasst (vgl. Gesetz zur steuerlichen Entlastung der Familien sowie zur Anpassung weiterer steuerlicher Regelungen - Familienentlastungsgesetz vom 29. November 2018, BGBl. I 2018, S. 2210).
Zu einem späteren Zeitpunkt erfolgte dann die routinemäßig jährliche Anpassung der monatlichen Regelbedarfe für die Regelbedarfsstufen im Bereich der Sozialhilfe (SGB XII) und in der Grundsicherung für Arbeitsuchende (SGB II) zum 1. Januar 2020 durch Verordnung (vgl. Regelbedarfsstufen-Fortschreibungsverordnung 2020 vom 15. Oktober 2019, BGBl. I 2019, S. 1542). Dazu ermittelte das Statistische Bundesamt die relevanten Daten für die Fortschreibung (vgl. Bundesratsdrucksache 449/19 vom 18. September 2019).
Somit resultiert die betrachtete "1-Euro-Differenz" aus den unterschiedlichen Zeitpunkten der Berechnungsverfahren. Bei den folgenden Berechnungen handelt es sich daher um rein rechnerische Ergebnisse:
Eine Erhöhung des monatlichen Regelbedarfs für die Regelbedarfsstufe 1 ab 2020 von 432 Euro auf 433 Euro würde ceteris paribus zu jährlichen Mehrausgaben für den Bund in der Grundsicherung für Arbeitsuchende von bis zu 35 Mio. Euro und in der Grundsicherung im Alter und bei Erwerbsminderung von bis zu 12 Mio. Euro führen. Eine Senkung des steuerlichen Grundfreibetrags ab 2020 von 9.408 Euro auf 9.396 Euro würde zu Mehreinnahmen von insgesamt rund 105 Mio. Euro jährlich führen; hiervon entfielen rund 90 Mio. Euro auf den Bund und die Länder sowie rund 15 Mio. Euro auf die Gemeinden. ..."