300.000 von 2,8 Millionen. In diversen Presseberichten an diesem Wochenende wird der Eindruck erweckt, 300.000 der 2,8 Millionen Leistungsberechtigten (Ende 2012), die bereits vier oder mehr Jahre auf SGB II-Leistungen zum Lebensunterhalt (Hartz IV) angewiesen sind, seien alleinerziehende Frauen mit Kindern im Alter von unter drei Jahren, die „von sich aus auf eine Jobvermittlung verzichteten, um sich auf die Kindererziehung konzentrieren zu können“ Dies ist (nicht nur) statistisch falsch:

In den diversen Presseberichten über die 2,8 Millionen SGB II Leistungsberechtigten (im Alter von 0 bis 65 Jahre und zwei Monate) im Dezember 2012 (Bestand), die nach der „31-Tage-Lücke-Regel“ (siehe unten) bereits vier und mehr Jahre (Nettodauer) auf Leistungen zum Lebensunterhalt („Arbeitslosengeld II“ bzw. „Sozialgeld“) angewiesen waren, heißt es zur „Erklärung“ u.a.:

 

„Zu jenen, die über einen längeren Zeitraum Hartz IV bezögen, gehörten allein 300.000 alleinerziehende Frauen: Sie verzichteten von sich aus auf eine Jobvermittlung und bezögen drei Jahre lang Grundsicherung, um sich auf die Kindererziehung konzentrieren zu können, gab die BA-Sprecherin zu bedenken.“ (Die Welt- und Morgenpost-Online, 12. Juli 2013)

Zum Bestand der insgesamt 2,8 Millionen Leistungsberechtigten mit einer bisherigen „Verweildauer“ von vier und mehr Jahren, dürfte aber nur ein sehr geringer Anteil der in den Presseartikeln genannten 300.000 alleinerziehenden Frauen wegen eines (oder mehrerer Kinder) im Alter von unter drei Jahren (!) zählen. Vermutlich bezieht sich diese Zahl 300.000 auf alle alleinerziehenden Frauen (mit Kindern bis unter 18 Jahre), die bereits seit vier oder mehr Jahren auf SGB II-Leistungen zum Lebensunterhalt angewiesen sind.

Die Statistik der Bundesagentur für Arbeit nennt für Dezember 2012 insgesamt 145.099 „Bedarfsgemeinschaften Alleinerziehender“ (Frauen und sehr wenige Männer) mit einem Kind von unter drei Jahren. (vgl. § 10 Abs. 1 Nr. 3 SGB II) Von den 145.099 Alleinerziehenden-Bedarfsgemeinschaften mit Kindern unter drei Jahren dürfte vermutlich nur eine sehr geringe Zahl bereits vier oder mehr Jahre auf Arbeitslosengeld II (und Sozialgeld) angewiesen gewesen sein.

Stellungnahmen der Beauftragten für Chancengleichheit am Arbeitsmarkt (BCA) zu einer solchen „Erklärung“ sind bisher nicht bekannt geworden. Siehe dazu z.B. auch den Vierten Armuts- und Reichtumsbericht der Bundesregierung: „ein falsches Verständnis vom Regelungsinhalt der Zumutbarkeitsregelung des § 10 Absatz 1 Nummer 3 SGB II“ (http://www.bmas.de/SharedDocs/Downloads/DE/PDF-Publikationen-DinA4/a334-4-armuts-reichtumsbericht-2013.pdf?__blob=publicationFile: Seite 123/124)

Nachrichtlich: Von den in den Presseartikeln genannten 2,8 Millionen (2,807 Millionen) Leistungsberechtigten im Dezember 2012, die bereits vier und mehr Jahre (Nettodauer) auf Leistungen zum Lebensunterhalt („Arbeitslosengeld II“ bzw. „Sozialgeld“) angewiesen waren, waren (gerundete) 673.000 nicht erwerbsfähige Leistungsberechtigte, darunter 628.000 Kinder (unter 15 Jahre). 2,134 Millionen davon waren erwerbsfähige Leistungsberechtigte. Von diesen 2,134 Millionen erwerbsfähigen Leistungsberechtigten galten im Sinne der amtlichen Statistik 900.000 als arbeitslos.

„31-Tage-Lücke-Regel“: „Unterbrechungen von bis zu 31 Tagen werden als unschädlich bewertet und begründen keine neue Dauerermittlung. Unterbrechungszeiten werden herausgerechnet, es handelt sich also um eine Nettodauer.“ (Statistik der Bundesagentur für Arbeit)