(BIAJ) In der Frankfurter Rundschau und vielen anderen Zeitungen wird heute (17. Februar 2016) auch über die Krankenkassenbeiträge für „Hartz-IV-Empfänger“ berichtet (1): Der Bund zahle seit Januar 2016 „für jedes einzelne Familienmitglied den abgesenkten Betrag von 90 Euro“. Trifft dies zu?
Zunächst ein Rückblick: Wenn dies schon in den beiden Vorjahren gegolten hätte, dann hätten zum Beispiel die 303 Jobcenter gE („gemeinsamen Einrichtungen“ der Agenturen für Arbeit und Kommunen) die folgenden Krankenkassenbeiträge überweisen (bewilligen) müssen: etwa 4,924 Milliarden Euro in 2014 und etwa 4,938 Milliarden Euro in 2015. Die Berechnungsgrundlage: etwa 4,559 Millionen (2014) bzw. 4,572 Millionen „Personen in den SGB II-Bedarfsgemeinschaften“ (Jobcenter gE) und ein jährlicher Beitrag von 1.080 Euro (12 mal 90 Euro pro Monat).
Tatsächlich aber wurden von den 303 Jobcentern gE Krankenkassenbeiträge in Höhe von lediglich etwa 3,446 Milliarden Euro (2014) bzw. 3,580 Milliarden Euro (2015) gezahlt (bewilligt). Dies entspricht bei jeweils durchschnittlich 3,286 Millionen erwerbsfähigen Leistungsberechtigten (Arbeitslosengeld II) in 2014 und 2015 (nur Jobcenter gE) einem monatlichen Beitrag in Höhe von etwa 87,49 Euro (2014) bzw. 90,80 Euro pro erwerbsfähigen Leistungsberechtigten (2015). (rechnerischer Durchschnitt) (2)
Diese rechnerisch (abgerundet) etwa 90 Euro pro Monat und erwerbsfähigem Leistungsberechtigten (!) wurden offensichtlich für die Umstellung der Beitragszahlung zum Jahresbeginn 2016 zugrunde gelegt. Aber ist dies ab Januar 2016 ein Beitrag „für jedes Familienmitglied“, wie die Frankfurter Rundschau schreibt und viele andere abschreiben? Wenn dies zuträfe, müssten die Ausgaben des Bundes 2016 deutlich steigen: allein bei den 303 Jobcentern gE um etwa 1,4 Milliarden Euro - siehe oben!
Der Satz in der Frankfurter Rundschau, „Seitdem zahlt der Bund für jedes einzelne Familienmitglied den abgesenkten Betrag von 90 Euro.“, trifft offensichtlich nicht zu. Es gilt nur für Familienmitglieder im Alter von 15 Jahren und älter (genauer: für "erwerbsfähige Leistungsberechtigte")! Gemessen an den durchschnittlich nahzu 1,7 Millionen Kinder im Alter von unter 15 Jahren in allen 408 Jobcentern (!) bedeutet dies: Für diese nahezu 1,7 Millionen Familenmitglieder (und i.d.R. auch für die etwa 60.000 nicht erwerbsfähigen Leistungsberechtigten im Alter von 15 Jahren und älter) wird dieser Beitrag in Höhe von etwa 90 Euro nicht gezahlt. Dies entspricht einem vom Bund "nicht gezahlten Krankenversicherungsbeitrag" in Höhe von 1,8 Milliarden Euro pro Jahr!
Nachtrag: Der Krankenkassenbeitrag für Arbeitslosengeld II-Beziehende (erwerbsfähige Leistungsberechtigte) beträgft 90,36 Euro pro Monat (2016). Berechnung: 2.905 Euro x 0,2060 x (14,0 Prozent + 1,1 Prozent) (Bezugsgröße: 2.905 Euro; Faktor gemäß § 232a Absatz 1 Nr. 2 SGB V; ermäßigter Beitragssatz:14,0 Prozent gemäß § 246 i.V.m. § 243 SGB V; durchschnittlicher Zusatzbeitrag gemäß § 251 Absatz 4 i.V.m. §§ 242 und 242a SGB V: 1,1 Prozent) (17. Februar 2016, 21:56 Uhr)
(1) http://www.fr-online.de/flucht-und-zuwanderung/gesundheit-krankenkassen-droht-milliardendefizit,24931854,33805548.html
(2) Anmerkung: Die Beschränkung auf die 303 Jobcenter gE erfolgte, da die bewilligen Krankenkassenbeiträge der 105 "zugelassenen kommunalen Träger" dem BIAJ nicht bekannt sind.