„10.300 Kinder in der Stadt Bremen geboren". „15.000 Geburten im Land Bremen". „Großer Sprung in der Geburtsstatistik" – Anstieg von 4.830 auf 7.268 Geburten innerhalb eines Jahres! Eine Geburtenexplosion im kleinsten Bundesland - vor der Bürgerschaftswahl am „Muttertag" 2015? Die letzte Bürgerschaftssitzung (Landtag) vor der Bürgerschaftswahl und Artikel im Weser-Kurier (24. April 2015) und im Kurier am Sonntag (3. Mai 2015) lassen dies vermuten.
2013 wurden insgesamt 5.749 Kinder von im Land Bremen wohnenden Müttern geboren, darunter 4.830 in der Stadt Bremen. (Quelle: amtliche Bevölkerungsstatistik) Und: In den Krankenhäusern im Land Bremen
wurden 2013 insgesamt 8.218 Kinder geboren, darunter 6.688 in Krankenhäusern in der Stadt Bremen. (Quelle: amtliche Krankenhausstatistik) Die Erklärung für die höhere Geburtenzahl in der Krankenhausstatistik: Der Wohnort der Mutter spielt hier keine Rolle. Auch Kinder von Müttern, die in Niedersachsen oder anderen Ländern wohnen, werden mitgezählt. Die amtlichen Daten für das Jahr 2014 liegen noch nicht vor. (BIAJ-Abbildungen zur Entwicklung der Geburten seit 1995 hier: BIAJ_Abbildungen)
Vor diesem Hintergrund überraschen die Meldungen über eine Geburtenexplosion in Bremen. „2013 wurden insgesamt 10.300 Kinder in der Stadtgemeinde Bremen geboren." Mit dieser sensationellen Geburtenzahl beginnt ein Antrag der CDU-Bürgerschaftsfraktion. (Drucksache 18/1732) Beraten wurde dieser Antrag in der letzten Sitzung der Bremischen Bürgerschaft vor der Bürgerschaftswahl am 10. Mai 2015: Der gesundheitspolitische Sprecher der CDU; Rainer Bensch, wiederholt diese sensationelle Geburtenzahl. Der gesundheitspolitische Sprecher der SPD-Fraktion, Winfried Brumma, spricht in dieser Bürgerschaftssitzung sogar von 15.000 Geburten im Land Bremen. (23. April 2015, TOP 11+12: Kann unter https://vimeo.com/125815453 ab Minute 55:50 angesehen werden.)
Der Weser-Kurier, die auflagenstärkste Tageszeitung im Land Bremen, berichtet am 24. April 2015: „Von 15.000 Geburten in Bremer Krankenhäusern im vergangenen Jahr sprach der SPD-Abgeordnete Winfried Brumma."
Wenige Tage später, am 3. Mai 2015, legt der Kurier am Sonntag, die Sonntagsausgabe des Weser-Kurier, nach. Er berichtet über einen „großen Sprung in der Geburtsstatistik" der Stadt Bremen: „Hatte sich die Zahl der Neugeborenen ab 2009 jährlich zwischen 4.508 und 4.830 bewegt, schnellte sie im vergangenen Jahr auf 7.268." Ein Anstieg um mehr als 50 Prozent innerhalb eines Jahres. Eine Sensation – auch wenn die von der CDU genannten 10.300 Geburten in der Stadt Bremen aus dem Jahr 2013 deutlich verfehlt wurden. Waren es die im Kurier am Sonntag erwähnten "Babyboomer"? (1939, 1964, 1989, 2014)
Nachdem das „Büro für absurde Statistik" (BaSta) am 3. Mai 2015 Anmerkungen zum angeblich „großen Sprung in der Geburtsstatistik" veröffentlichte, korrigierte sich der Abgeordnete Winfried Brumma. Der Chefredakteur des Weser-Kurier wollte die Falschmeldung über den „großen Sprung (von über 50 Prozent) in der Geburtsstatistik" der Stadt Bremen zunächst nicht einsehen, sagte nach einem zweiten Anschreiben zu, dies zu prüfen: „Sollten wir einen Fehler gemacht haben, werden wir ihn umgehend korrigieren." (eMail vom 05.05.2015) Eine Korrektur ist bisher nicht erfolgt. Ob die Korrektur am „Wahl- und Muttertag" erfolgen wird, ist nicht bekannt. (weitere Informationen dazu siehe hier: BaSta_20150503_folgende)
Hinweis: Das Statistische Landesamt Bremen kann die Geburtenexplosion im Land und in der Stadt Bremen nicht bestätigen.
Bremen, 8. Mai 2015 (siehe auch Nachtrag vom 9. Mai 2015 und 13. Mai 2015)
Paul M. Schröder
Bremer Institut für Arbeitsmarktforschung und Jugendberufshilfe (BIAJ)
und Büro für absurde Statistik (BaSta)
Nachtrag vom 9. Mai 2015: Unter der Überschrift "Weniger Kinder als erwartet" hat der Weser-Kurier am 9. Mai 2015 (Seite 9) seinen Fehler im Kurier am Sonntag (Weser-Kurier) vom 3. Mai 2015 korrigiert. Für 2014 wird folgende vom Stadtamt Bremen für den Weser-Kurier ermittelte Geburtenzahl ("mit Hauptwohnung in Bremen geborene Kinder") genannt: 5.155 - versehen mit dem Hinweis: "Diese Angaben beziehen sich auf den Zeitpunkt der Eintragung in das Melderegister, nicht auf die in den Standesämtern beurkundeten Geburten." Es bleibt jetzt noch abzuwarten, ob der jetzt vom Weser-Kurier genannte Anstieg der Geburten um 325 gegenüber dem Vorjahr - von 4.830 Geburten in 2013 gemäß Bevölkerungsstatistik des Statistischen Landesamtes Bremen auf die 5.155 Geburten in 2014 gemäß der Sonderauswertung des Stadtamtes Bremen für den Weser-Kurier - demnächst vom Statistischen Landesamt Bremen bestätigt wird. Die bisher vorliegenden Daten der Bevölkerungsstatistik des Statistischen Landesamtes Bremen - 3.965 Geburten in der Stadt Bremen in den ersten 10 Monaten des Jahres 2014 - lassen einen Anstieg auf 5.155 Geburten in 2014 nicht erwarten. Ebenso bleibt abzuwarten, ob die vom Weser-Kurier genannten 7.268 Geburten in Krankenhäusern in der Stadt Bremen (unabhängig vom Wohnort der Mütter) von der Krankenhausstatistik des Statistischen Landesamtes Bremen für das Jahr 2014 bestätigt werden. (2013: 6.688 Geburten - rechnerischer Anstieg in 2014: 580 Geburten) (BaSta, 9. Mai 2015)
Nachtrag vom 13. Mai 2015: Die Pressemitteilung des Statistischen Landesamtes Bremen vom 13. Mai 2015 (hier: PM_STLA_20150513) nennt für das Jahr 2014 insgesamt 7.316 Lebendgeborene in den Krankenhäusern in der Stadt Bremen (insgesamt 8.919 Lebendgeborene in den Krankenhäusern im Land Bremen). "Die schwangeren Frauen kamen sowohl aus Bremen und Bremerhaven als auch von auswärts."