(BIAJ) „Erstattungen des Bundes für die Grundsicherung im Alter und bei Erwerbsminderung“: 718 Millionen Euro weniger als im Vorjahr (2016) und nahezu 1,7 Milliarden Euro weniger als im Bundeshaushalt 2017 veranschlagt. Ein erstaunliches Ergebnis des vorläufigen Haushaltsabschlusses 2017, das vom Bundesministerium der Finanzen (BMF) besonders herausgestellt wird. Ein Bundeshaushaltsrätsel.

Im Bundeshaushalt 2017 waren insgesamt 7,130 Milliarden Euro fürErstattungen des Bundes für die Grundsicherung im Alter und Erwerbsminderung“ veranschlagt (und 6,9 Millionen Euro für die „Erstattung an die Deutsche Rentenversicherung Bund für Gutachtenkosten im Zusammenhang mit der Grundsicherung im Alter und bei Erwerbsminderung“). Seit 2014 erstattet der Bund den Ländern 100 Prozent der im jeweiligen Kalenderjahr den zuständigen Trägern entstandenen Nettoausgaben für die Grundsicherung im Alter und bei Erwerbsminderung. Laut vorläufiger Haushaltsrechnung wurden den Ländern vom Bund im Haushaltsjahr 2017 lediglich etwa 5,465 Milliarden Euro erstattet (einschließlich der Erstattungen an die Deutsche Rentenversicherung Bund für Gutachterkosten), bei einem Soll in Höhe von 7,131 Milliarden Euro (BMF-Monatsbericht 1/2018) und einem Ist 2016 in Höhe von 6,183 Milliarden Euro.

Die Minderausgaben des Bundes für die „Grundsicherung im Alter und bei Erwerbsminderung“ (Ist kleiner als Soll) in Höhe von nahezu 1,7 Milliarden Euro werden in der Berichterstattung des Bundesministeriums der Finanzen besonders hervorgehoben. Unter der Überschrift „Vorläufiger Abschluss des Bundeshaushalts 2017“ heißt es im ersten Punkt der Zusammenfassung zur besonderen Bedeutung der "Grundischerung im Alter und bei Erwerbsminderung" für die "schwarze Null":
„Der Bundeshaushalt wurde das vierte Jahr in Folge ohne neue Schulden ausgeglichen. Maßgeblich beigetragen haben zu diesem positiven Ergebnis die robuste Konjunktur mit entsprechenden positiven Auswirkungen bei den Steuereinnahmen und niedrigere Ausgaben bei der Grundsicherung im Alter und den Zinsen.“ Und dann im Abschnitt „Ausgaben und Einnahmen“: „Die Ausgaben des Bundes (ohne besondere Finanzierungsvorgänge) beliefen sich im Haushaltsjahr 2017 auf 325,4 Mrd. €. Damit wurde das Soll des Jahres 2017 um 3,7 Mrd. € beziehungsweise um 1,1 % unterschritten. Hierzu trugen im Wesentlichen Minderausgaben bei der Grundsicherung im Alter und bei Erwerbsminderung (1,7 Mrd. €), den Zinsen (1,0 Mrd. €), der Digitalen Infrastruktur (0,8 Mrd. €) und den Gewährleistungen (0,6 Mrd. €) bei.“ (BMF, Monatsbericht 1/2018, Seite 34 und 35; Hervorhebung durch BIAJ)

Das (noch ungelöste) Bundeshaushaltsrätsel:
Sind die vom Bund zu erstattenden Ausgaben der Länder (bzw. der zuständigen Träger) für die Grundsicherung im Alter und bei Erwerbsminderung im Haushaltsjahr 2017 tatsächlich um 718 Millionen Euro gegenüber dem Vorjahr (2016) gesunken und lagen sie tatsächlich nahezu 1,7 Milliarden Euro unter den vom Bund erwarteten Ausgaben (Soll 2016)? Wenn ja: Aus welchen Gründen?
Wurden die vom Bund zu erstattenden Ausgaben den Ländern noch nicht vollständig erstattet? Und wenn ja: Warum, und wie hoch waren die tatsächlich zu erstattenden Ausgaben für die Grundsicherung im Alter und bei Erwerbsminderung in 2016 und 2017? Und wie stellen sich die Zahlungsrückstände des Bundes bei der Erstattung der Ausgaben für die Grundsicherung im Alter und bei Erwerbsminderung des Bundes insgesamt und in den einzelnen Ländern dar?
Eine mögliche Erklärung: Die Erstattungen (für das vierte Quartal 2017) wurden durch die Länder bzw. einem Teil der Länder (welche?) nicht abgerufen bzw. die Abrufe nicht an die Länder ausgezahlt. (§ 46a SGB XII) Warum dies ausgerechnet im Quartal nach der Bundestagswahl am 24. September 2017 so gewesen sein soll (sein könnte) ist unklar. (BIAJ, 02. Februar 2018 - wird aktualisert, wenn das "Bundeshaushaltsrätsel" gelöst wurde.)

Aktualisierung vom 17. Mai 2018. Bei Vorlage des zweiten Regierungsentwurfs des Bundeshaushalts 2018 (2. RegE) teilte das Bundesfinanzministerium mit: „Für die Erstattung der Nettoausgaben der Länder für die Grundsicherung im Alter und bei Erwerbsminderung durch den Bund sind 5,9 Mrd. € veranschlagt; das sind 1,3 Mrd. € weniger als im ersten Regierungsentwurf. Dies geht im Wesentlichen auf den Kabinettbeschluss vom 7. März 2018 über den „Entwurf eines Gesetzes zur Verlängerung befristeter Regelungen im Arbeitsförderungsrecht und zur Umsetzung der Richtlinie (EU) 2016/2102 über den barrierefreien Zugang zu den Websites und mobilen Anwendungen öffentlicher Stellen“ zurück. Danach können die Länder die Mittel für das letzte Quartal nicht mehr überjährig, sondern erst zu Lasten des folgenden Haushaltsjahrs abrufen.“ (Hervorhebung durch BIAJ) Offensichtlich sind auch schon am Ende des vierten Quartals 2017 in erheblichem Umfang Mittel von den Ländern für Ausgaben in 2017 nicht abgerufen worden. Nach Angaben des Bundesfinanzministeriums wurden 2017 Ausgaben der Länder für die Grundsicherung im Alter und bei Erwerbsminderung in Höhe von 900 Millionen Euro nicht in 2017 sondern erst  2018 erstattet. (BMF-Monatsbericht 4/2018, S. 47)
Nachtrag vom 18. Mai 2018: Am 18. Mai 2018 meldet der Deutsche Bundestag nach der Beratung des Einzelplans 11: „Für die Grundsicherung im Alter und bei Erwerbsminderung gibt der Bund in diesem Jahr 5,9 Milliarden Euro und damit 1,2 Milliarden Euro weniger aus als 2017 (7,13 Milliarden Euro).“ Hier wird das im Bundeshaushalt 2018 geplante Soll mit dem Soll im Bundeshaushalt 2017 (7,13 Milliarden Euro ) verglichen und nicht mit den Ausgaben in 2017 (Ist: 5,465 Milliarden Euro; siehe oben). ("Arbeits­minister Heil: Technologischer Wandel wird die Arbeit ver­ändern": http://www.bundestag.de/dokumente/textarchiv/2018/kw20-de-arbeit-soziales/550244)
Nachtrag vom 01. Oktober 2018: In der Pressemitteilung des Statistischen Bundesamtes (Destatis) vom 13. August 2018 ("17,2 Milliarden Euro Eingliederungshilfe für behinderte Menschen im Jahr 2017") werden "nachrichtlich" (und unter der Überschrift nicht erwartet) die folgenden Nettoausgaben* für die Grundsicherung im Alter und bei Erwerbsminderung in 2017 genannt (*genauer: "Erstattungszahlungen des Bundes nach § 46a SGB XII für Nettoausgaben für Geldleistungen der Grundsicherung im Alter und bei Erwerbsminderung an die Länder für das Kalenderjahr 2017; Datenstand: 26.07.2018"): 6,340 Milliarden Euro. (Quelle: Bundesministerium für Arbeit und Soziales). Dies waren 4,4 Prozent mehr als die vom Statistischen Bundesamt für 2016 genannten Nettoausgaben in Höhe von 6,073 Milliarden Euro.
Das Statistische Bundesamt weist in dieser Pressemitteilung Nr. 298 vom 13. August 2018 auf folgendes hin: "In der Statistik der Ausgaben und Einnahmen der Sozialhilfe nach dem Dritten und Fünften bis Neunten Kapitel SGB XII werden ab dem Berichtsjahr 2017 die Ausgaben und Einnahmen für die Leistungen der Grundsicherung im Alter und bei Erwerbsminderung nach dem Vierten Kapitel SGB XII nicht mehr erfasst. Hintergrund ist, dass der Bund die Kosten für die Leistungen der Grundsicherung im Alter und bei Erwerbsminderung seit 2014 den Ländern vollständig erstattet. Die Länder liefern dafür Nachweise an das Bundesministerium für Arbeit und Soziales und wurden von einer zusätzlichen Datenlieferung an die Statistischen Ämter entlastet. In den Berichtsjahren 2015 und 2016 erfolgte die Erfassung bereits lediglich auf Grundlage einer Übergangsregelung nach § 131 SGB XII." Eine u.E. wenig erfreuliche, irritierende Veränderung ("Entlastung" der Länder).
Hinweis: Siehe dazu auch die BIAJ-Kurzmitteilung vom 02. Februar 2019 (!) (hier)